Lookismus – Über Erscheinungsbilder und Vorurteile

Immer häufiger wird in bestimmten Kreisen das Wort Lookismus verwendet. Ein Konzept, das wissenschaftlich im deutschen Raum bisher noch nicht allzu viel Beachtung gefunden hat, in seiner Relevanz von feministischen, intersektionalen und linken Bewegungen jedoch immer mehr anerkannt wird. Doch was verbirgt sich eigentlich hinter dem Begriff „Lookismus“?

Rassismus, Sexismus und Co.

Konzepte wie Rassismus und Sexismus sind uns durch mediale Thematisierung sowie teils persönliche Erfahrungen wohl allen mehr oder weniger geläufig. Weniger bekannt hingegen sind Konzepte wie Klassismus, wo Menschen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten gesellschaftlichen Millieus beurteilt werden. Auch Ableismus ist ein weiteres dieser Konzepte, hier werden Menschen in Bezug auf ihre Körper und Fähigkeiten beurteilt, je nachdem, ob und in welchem Grad sie als „behindert“ gelten.

All diese Vorgehensweisen finden tagtäglich in unserer Gesellschaft statt, mal bewusst, mal unterbewusst. Vereint werden sie durch den Begriff Lookismus.

Was ist Lookismus?

Lookismus beschreibt das generelle Vorgehen, Menschen aufgrund bestimmter äußerlicher Merkmale zu be- und verurteilen. Diese äußerlichen Merkmale können, anders als bei den oben genannten Konzepten, absolut alles sein. Die Hautfarbe, die Klamotten, das Körpergewicht, die Größe, mögliche Behinderungen, Abweichung von klassischen Geschlechternormen – alles wird von uns ständig wahrgenommen und eingeordnet. Im Prinzip ist das schon Lookismus. Das Beurteilen anderer Menschen aufgrund ihrer optischen Erscheinung und das Zuschreiben bestimmter charakterlicher Merkmale und Verhaltensweisen

Absichtlicher Lookismus

Ob oder inwiefern Lookismus beabsichtigt oder unbeabsichtigt stattfindet, darüber sind sich selbst Expert*innen noch nicht einig. Aktuell gibt es zwei unterschiedliche Theorien. Die eine besagt, dass aufgrund bestimmter äußerer Merkmale, die bewusst wahrgenommen werden, auf andere Charaktereigenschaften geschlossen wird, die aktiv mit diesen äußeren Merkmalen verbunden werden. Das klassische Beispiel hierfür sind Frauen in aufreizender Kleidung, die direkt als freizügig, leicht zu haben etc. wahrgenommen werden. Hierbei wird aufgrund der optischen Erscheinung knapper Kleidung direkt und bewusst auf das Sexualleben der Frau geschlossen.

Der Halo-Effekt

Die andere Theorie beruft sich auf den so genannten Halo-Effekt. Dies bedeutet, dass Menschen zwar in ihren optischen Merkmalen wahrgenommen werden, die Zuschreibung zu bestimmten Charakter- und Verhaltensweisen jedoch unterbewusst vollzogen wird. So werden kleine Männer oft automatisch als unmännlich und schwach gesehen, ohne dass die Betrachter*innen dies automatisch mit der Körpergröße in Verbindung setzen. Kleine Frauen hingegen werden weitaus öfter als süß, lieb und niedlich angesehen als größere, auch diese Assoziation findet oft eher unterbewusst statt.

Theorie und Praxis

In der Theorie beschreibt Lookismus also das übergreifende Konzept zwischen allen anderen so genannten -ismen. In der Praxis hingegen ist die Differenzierung schwierig und die Grenzen verschwimmen. Frauen, die wegen ihrer Kleidung verurteilt werden, dunkelhäutige Menschen, die als gefährlicher wahrgenommen werden, dicke Menschen, denen von Ärzt*innen weniger geholfen wird … Das alles sind Beispiele für Lookismus, aber auch für Sexismus, Rassismus und Fat-Shaming. Bei letzterem werden übrigens Menschen, deren Gewicht höher als das gesellschaftlich Anerkannte ist, aufgrund dessen verurteilt.

Das Konzept Lookismus soll also keinesfalls als Konkurrenz zu den anderen -ismen verstanden werden, viel eher als übergreifendes, theoretisches Konzept, das verbindet und Lücken zwischen den einzelnen -ismen füllt.

Ein Problem des Konzeptes des Lookismus ist, dass es bisher fast nur in linken Kreisen thematisiert und untersucht wird. Diese Kreise begreifen sich allerdings oft selbst als geweiht davor, das Konzept selbst anzuwenden. Dabei kann Lookismus genauso unter vermeintlich toleranten, aufgeklärten und weltoffenen Menschen angewendet werden. Der Theorie des oben erläuterten Halo-Effekts nach kann jede*r, egal welche politische Einstellung, welche gesellschaftliche Position man vertritt, Lookismus betreiben. Doch auch aktiv betriebener Lookismus kann in diesem Milieu auftreten. Gerade in radikalfeministischen Kreisen  wird beispielsweise verurteilt, wer sich gängigen Schönheitsidealen und Normen beugt. Dort wird eine normschöne Frau, geschminkt und in knapper Kleidung, also unter Umständen auch verurteilt. Allerdings wird ihr hier keine Freizügigkeit unterstellt, sondern das Aufrechterhalten patriarchaler Gesellschaftsstrukturen und toxischer Schönheitsideale.

Was kann ich tun?

Was wir tun können, um weniger Lookismus zu betreiben, ist gar nicht so einfach zu beantworten. Eine Patentlösung gibt es leider nicht, und gesellschaftlich so stark verankerte Mechanismen werden auch nicht von heute auf morgen aussterben. Ein Schritt in die richtige Richtung ist es allerdings, zu reflektieren, zu hinterfragen und bewusster wahrzunehmen. Außerdem sollten wir alle unsere eigene Position hinterfragen und achtsam bleiben, selbst wenn wir uns in vermeintlich offenen, aufgeklärten Milieus bewegen.

Ebenso ist das so genannte Empowerment eine Gegenbewegung. Dort ist das Ziel, dass marginalisierte, von Lookismus stark betroffenen Gruppen sich ihrer Ressourcen bewusstwerden, sich untereinander verknüpfen und gemeinsam für mehr Selbstbestimmung und weniger Diskriminierung eintreten.

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